Freitag, 20. Februar 2015

Tagelang im Teeturm in Tallinn

Tallinn begrüßt mich wie Helsinki mich verabschiedet hat, mit viel Wind, Regen und grauen Wolken.
Ich beschließe die Zeit zu nutzen und mich nach vielen Wochen mal wieder dem Blog zu widmen, und arbeite fleißig. Doch das Wetter lässt nicht nach, ich muss mehr Geduld aufbringen als gedacht um ein paar schöne Tage abzupassen.

die Türme mit rotem Dach gehören zur Stadmauer
Pikk Hermann

Das bringt einen Hostelwechsel mit sich und eine kleine Winterdepression mitten im Sommer. Mein Körper scheint die viele Sonne und Wärme Kambodschas und Thailands auch zu vermissen. Aber alles hat auch sein gutes, ich trinke viel Tee, denn dafür sind jetzt erstmals wieder die Temperaturen und bei Taro und Egle im Hostel ist es perfekt um dem Teetrinken, lesen und schreiben zu fröhnen. Dafür gibt es hier auch den perfekten Platz im Fenster, von wo aus man auf die vielen Touristen und ihren Marsch durch die Altstadt schauen kann.

unter dem Schornstein am unteren Bildrand ist mein Fensterplatz
mit Tee, Buch und Aussicht auf die Straßen der Altstadt

Diese Tour mache ich natürlich auch mit, geführt und auf eigene Faust. Tallinns Stadtmauer und mittelalterliches Flair bestimmten die Altstadt und zieht Touristenmassen - vor allem nordamerikanisch und asiatische - an.

Alexander-Newski-Kathedrale
eins der Stadttore
die "drei Schwestern"
es ist aber auch pittoreske

Ich gebe zu es ist nett, doch kalt. Also entscheide ich mich für Indoor Aktivitäten wie den wahrscheinlich größten Pfannkuchen meines Lebens und Tee zum verdauen.
Das Warten zahlt sich schließlich aus und es rutscht immer mal wieder ein Sonnentag zwischen die Wolkenemassen.


Einen dieser Tage nutze ich um nach Kalamaja zu gehen und mir das Patarai Gefängnis anzusehe. Es wird als depremierende Erinnerung an die Sowjetherschaft beschrieben und das ist es auch, aber irgendwie auch faszinierend. Denn es scheint, als wären damals einfach alle gegangen, hätten alles stehen und liegen gelassen, wollten einfach nur weg. So sind die Räume noch voller Möbel im typischen Sowjetäradesign, die Wände teilweise mit bunten Werbebildern tapiziert- Träume von einer bunten Welt, voller lächelnder, vollbusiger Frauen. Der Operationssaal ist zwar veraltet, doch scheinbar ist nur eine Grundreinigung notwendig um die Arbeit wieder aufnehmen zu können.


Ja, und die Zellen. Die sind wirklich gruslig. Die Fenster soweit zugemauert, dass möglichst wenig Licht herein kommt, die Betten dicht an dicht und die Decken alte Lumpen. Teilweise sind die Wände von den Häftlingen bemalt, mit Lenin samt Teufelshörnern oder Phantasien von edlen Rittern und treuen Pferden. Am Ende eines Ganges finde ich die Bibliothek, es richt nach Holz und vergilbeten Seiten der Bücher, die teilweise noch in den Regalen warten. Ein seltsamer Ort - abstoßend anziehend.


Im Hostel habe ich inzwischen Beth kennen gelernt. Eine Amerikanerin, die in Polen Politik und Russische Kultur studiert - weiter vom Stereotyp kann man nur schwer entfernt sein. Mit ihr teile ich lustig Geschichten, ein hervorragendes Essen bei Till ja Kummel, viel Tee und Blogadressen.

auf dem russichen Markt

Zwischendurch stehen kurze Touren durch die Stadt an. Unter anderem zum russichen Markt, dort gibt es alles was amn sich vorstellen kann und darüber hinuas, beispielsweise nur linke Schuhe, falls man zufällig den passenden rechten zu Hause hat. Wie oft mir das passiert!

wunderschön
und unglaublich detailreich

An meinem letzten Tag mache ich einen Ausflug in den Lahemaa Rahvus(National)park. Dafür habe ich tagelang die Wettervorhersage studiert, und wie sich zeigt, hat es sich gelohnt, es ist sonnig und das Hochmoor unglaublich schön!

wenn man möchte, kann man hier auch baden gehen

Nach einer Wanderung durch und über das Moor und zwischen den Urkiefern, die zwar klein aber wahnsinnig alt sind, fahren wir noch zu einem alten Gutshaus und der ehemals streng geheimen sowjetischen U-Boot Station. So geheim, das die Gegend zu Sowjetzeiten auf keine Karte verzeichnet war.

am Horizont der Finnische Meerbusen
(ja, darüber hat man in der Schule immer gelacht)

Trotz Regen und grauen Wolken bringen mich Lahemaa und Patarai zu der Einsicht, dass es auch in Europa genügend Abeneur gibt, die nur auf mich warten. Und auch wenn ich meine Zeit sehr einfach hier in Tallinn bei Taro und Egle verbummeln verbringen könnte - die hosteleigene Sauna spielt da sicher auch eine Rolle - fahre ich nach fast zwei Wochen dann doch weiter.

estischer Volkssport: Gruppenschaukeln


11 Tage | 10 Nächte || 27|05|2014 - 06|06|2014

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