Donnerstag, 25. September 2014

Phantomschmerz Phnom Penh

Phnom Penh - ein echter Zungenbrecher. Hier spaltet sich auch die Meinung der Backpacker-Gemeinde in jene welche die Stadt hassen, für ihren Dreck, Gestank und das Verbrechen und jene die sie Bangkok und Sài Gòn vorziehen für ihre Mischung aus Tradition und Moderne.
Ich muss erstmal ankommen und bin deshalb mal wieder in einem Kleinbus unterwegs. Der wird unterwegs gewaschen und wir müssen alle raus, praktischerweise gibt es gegrillte Bananaen, Suppe und andere Snacks gleich nebenan. Ich bin nicht hungrig und schaukel lieber das schreiende Baby in der Hängematte, solang der Rest der Familie das Essen für meine Mitfahrer zubereitet. Die Frauen scheinen das sehr lustig zu finden und klopfen mir zum Abschied auf die Schultern, naja, so schwer war es ja nun auch nicht.
In Phnom Penh angekommen, muss ich mal wieder harte Preisverhandlungen für ein Tuk Tuk durchstehen. Einen Kompromiss gefunden geht es los in den von Staus bestimmten Verkehr der Stadt. Doch die Tuk Tuk Fahrer hier haben da einen ganz einfachen Trick: sie fahren zum Rechtsabbiegen durch die Tankstellen an den Straßenkreuzungen, anstatt sich einzureihen.

Lotusblüten
Aussicht vom Hostel mit Gewitterhimmel

Im Hostel angekommen lerne ich gleich viele nette Leute kennen. Mit Andrea und Sara fahre ich am nächsten Tag zum russichen Markt. Die beiden sind in Shoppinglaune. Denn hier werden massenhaft Klamotten namenreicher westlicher Modeketten verkauft. Diese produzieren hier in Kambodscha und die leicht fehlerhafte B-Ware wird hier auf dem Markt verschärbelt. Ich interessiere mich mehr für die Lebensmittel und bin so zwischen Lotus und Hüncheninnerein unterwegs.

Fleisch, Fisch, Krebse, sauer eingelegter Pak Choi
schwarze und gemeine Hühnchen

Am Nachmittag fahre ich mit Sara nach Choeung Ek - eins der Killing Fields der Roten Khmer. Jeder Kambodscha Besucher, egal ob Partytourist oder Kultursuchender sagt einem, man sollte sich das ansehen, aber hinterher nicht mehr allzu viel vornehmen. Mit einem Audioguide ausgestattet geht es also los. Es reiht sich ein großes Loch an das nächste, die Massengräber für Männer, Frauen und Kinder. Sie wurden hier in nur 4 Jahren von ihren eigenen Landsleuten ermordet. Wer hier ankam wusste, dass er das Gelände nicht mehr verlässt. Oft waren es absurde Beschuldigungen oder paranoide Vorwürfe, die sie hier her brachten. Es sind so viele Opfer hier verscharrt, dass es unmöglich ist alle Überreste zu bergen. Jedes Jahr werden in der Regenzeit durch den extremen Niederschlag und die damit einhergehende Erossion Knochen und Kleidungsreste an die Oberfläche befördert. Sie werden aufgesammelt und in Boxen gesammelt. Eine Idendifizierung scheint bei der Anzahl der Opfer unmöglich. Das wohl schaurigste "Ausstellungsstück" auf dem Gelände ist der Chankiri Baum. Hier wurden Babys und Kinder getötet, indem ihnen die Schädel am Stamm des Baumes zertrümmert wurden. Damit sie ihre ebenfalls hier getöteten Eltern oder Angehörigen später nicht rächen würden. An dieser Stelle stockt dem Sprecher des niederländischen Audioguides die Stimme.


In der Mitte steht eine buddhistische Stupa, in ihr sind einige Knochen und andere Fundstücke ausgestellt, zudem sie soll den vielen Seelen hier Frieden bringen.
Nach diesem Besuch reicht unsere Zeit und Kraft nicht mehr für das Tuol-Sleng-Genozid Museum. Also machen wir das am nächsten Tag. In der ehemaligen Schule wurden fast alle der Toten in Choeung Ek zuerst verhört, gefoltert und zu vermeindlichen Geständnissen gezwungen. Die Roten Khmer haben ihre Opfer akribisch dokumentiert und von allen Fotos gemacht. An den Fliesen in den Klassenräumen sind teilweise noch Blutspuren und in anderen Räumen reiht sich eine Tafel mit Fotos der Opfer an die andere. Läuft man hier die scheinbar endlosen Tafeln ab, wird einem die sonst so abstrakte Nummer der Opfer erst richtig bewusst.


Als die Vietnamesen das Tuol Sleng 1979 befreiten lebten nur noch 14 Häftlinge, zwei davon Kinder, welche sich hinter Fässern versteckt hatten.
Bei all dem was ich hier sehe, frage ich mich immer wieder wie es die Khmer trotz dieser Vergangenheit schaffen so ein lebensfrohes Volk zu sein. Jeder kambodschanische Familie hat mindestens ein Familienmitglied zwischen 1975 und 1979 verloren, teilweise wurden ganze Familein ausgerottet.
Es ist genau diese Lebensfreude, die mir anschließenden in den Straßen Phnom Penhs den Glauben an die Menschheit zurück gibt.


Die Cyclo-Fahrer die für mich für ein Bild posieren, der Mann, der mich fragt woher ich meine Gebetsarmbänder habe (aus Angkor) und mir dann von seiner Familie in München erzählt, der kleine nackte Junge der mitten in der Stadt über sie Straße zu seiner Mutter am Obststand rennt, sein Hund sitzt unter dem Stand und schützt sich vor der Sonne, der Ecksupermakt der "Smile" heißt und auf dessen Werbetafeln die Angstellten bis hinter die Ohren um die Wette grinsen, die kleinen Geschäfte die Elektroartikel und Rolex Uhren verkaufen, die Straßenverkäufer mit ihren Fruchtshakes, Suppen und Spießen.

kleine Tankstelle - billiger und gepanscht
Auslage im Fruchtshakestand

Ich bereue es schon etwas nur drei Tage eingeplant zu haben, denn ich denke ich gehöre zu der Gruppe, welche Phnom Penh mag.

04 Tage | 03 Nächte || 28|04|2014 - 01|05|2014

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