Mittwoch, 8. Januar 2014

Insha'Allah İstanbul

Ahmed hatte in Sarajevo noch gesagt - Insha'Allah werde ich irgendwann nach İstanbul kommen und damals stand diese Stadt nicht auf meinem Reiseplan, aber wie so oft ändern sich Pläne auf dem Weg und jetzt bin ich hier, oder auf dem Weg.
Denn erstmal muss ich eine Nachtfahrt im Bus von Burgas aus überstehen. Das klingt banaler als es ist. Ich habe mich auf etwas Schlaf eingestellt, denn der Bus startet 23:30 und das sollte ja dann mit dem Schlaf ein Klacks sein! Doch an der Grenze müssen wir alle aussteigen und unseren Pass kontrollieren lassen und anschließenden noch das Gepäck durchleuchten lassen. Das dauert bei einem vollgepackten Bus schon etwas. Dafür gibt es aber auch mal wieder einen Stempel in den Reisepass. Nachdem die Grenze passiert ist, kann man endlich schlafen. Dachte ich. Doch jetzt funktionieren die Handys meiner türkischen Mitfahrer wieder und das signalisieren sie durch andauerndes klingeln, piepen und summen. Es telefoniert immer irgendjemand und wenn nicht, dann bekommt irgendjemand gerade eine Textnachricht. 1. Einsicht: Türken lieben es zu telefonieren. Schön und gut, aber haben Handys in der Türkei kein Stummfunktion?!
In İstanbul komme ich an, als sich so langsam das erste Licht zeigt. Die Stadt ist einfach riesig. Wir fahren mindestens eine Stunde bis wir den internationalen Busbahnhof erreichen und der ist wie eine eigene Stadt in sich. Hier will ich auf jeden Fall nicht mit dem Auto unterwegs sein. Zu viele Straßen, Ab- und Auffahrten und Levels. In denen ist schon voller Betrieb, da werden Hemden gebügelt und nebenan Baklava und Gözleme zubereitet. Ich brauche erstmal Geld für den Nahverkehr, denn auch wenn wir bereits eine Stunde in die Stadt gefahren sind, ist der Busbahnhof doch noch ausserhalb der Innestadt.
Ich suche, finde, fahre, schaue, staune etwas, bin aber eigentlich zu müde zum staunen. Im Hostel angekommen muss ich erstmal ausruhen, endlich kein Telefonklingeln mehr.
Und dann:


Hier bin ich also - İstanbul! Das Tor zum Orient und 2600 Jahre besidelte Gechichte liegen vor mir. Hier waren die Griechen, die Römer, die Byzantiner, die Osmanen und Türken - und jetzt auch ich! Es ist sonnig und bestes Wetter die Stadt zu erkunden. Doch bei all den Sehenswürdigkeiten fällt es schwer sich für etwas zu entscheiden. Mein Hostel ist in Beyoğlu und damit gleich in der Nähe des Taksim Platzes.


Dort waren vor nicht all zu langer Zeit Proteste, als sich das erstemal vorbei schaue, ist gerade eine große Millitärparade. Von dort führt eine der größten und berühmtesten Einkaufststraßen der Stadt, die İstiklal Caddesi, zum Tünel Platz (Tünel bedeutet übrigens wirklich Tunnel, Türkisch ist so witzig!) und man kann so auch gleich den Galataturm sehen.

historische Straßenbahn auf der İstiklal Caddesi

In İstanbul sind die Geschäfte thematisch angeordnet. So gibt es einen ganzen Straßenzug mit Elektrozubehör, oder Resterauntausstattung, Küchenwaagen, Messern, Schläuche, Spielzeug, Tüchern und so weiter. Es gibt eigentlich nichts was es nicht gibt. Aber wenn man gerade im Glühlampenviertel ist und eigentlich etwas essbares wollte, hat man eben Pech gehabt. Auch selbst wenn man das Viertel mit Lebensmittelläden gefunden hat, kann es passieren, dass man in einem Laden landet der ausschließlich Zwiebeln und Knoblauch verkauft. Oder Paprika. Aber nicht aufgeben. Einfach einen Tulumba Tatlısı und einen Granatapfelsaft zwischendurch gekauft und der Zucker macht einen pappensatt.

sie hat die Bäckerei gefunden

2. Einsicht: Um alles ansehen zu können und dabei noch etwas Geld zu sparen, braucht es einen Plan und ein Kombiticket. Mit dem schaue ich mit de Hagia Sophia (gigantische Verschmelzung der Religionen),

Hagia Sophia
zu groß für ein Bild

das Archäologische Museum (die babylonische Prozessionsstraße, römische Sarkophage und so viel mehr), den Topkapı-Palast (Wohn- und Regierungssitz der Sultane, hier lernt ein Unwissender wie ich auch endlich was ein Harem wirklich ist)

im vierten Hof
im Harem

und das Mosaikenmuseum (wahnsinnig detailierte Bodenmosaik aus der Spätantike) an.


Damit ist man in İstanbul natürlich noch lang nicht fertig! Vorher, nachher und zwischendurch erkunde ich die Stadt einfach zu Fuß und schaue mir den Gewürzmarkt, den großen Bazar - Kapalı Çarşı, die Kılıç Ali Pasha Moschee, die blaue Moschee, die Sultanahmet Moschee, und weil's so schön ist mit den Kopftüchern und den bunten Wandkacheln auch noch die Neue Moschee.

blaue Moschee

Auf dem Basar will ich mir nun auch endlich, das erste Mal auf meiner Reise, ein echtes Souvenier kaufen. Ein Backgammon-Spiel, aus Holz mit Perlmuteinlagen soll es sein. Im Hostel habe ich mich vorab nach dem gerechtfertigten Preis erkundigt, denn hier wird gefeilscht was das Zeug hält. Ich bin da nicht so erprobt, also heißt es Hemdsärmel hochgekrempelt, rein ins Getümmelt und nur nicht schüchtern sein, die Türken sind es auf jeden Fall nicht! Der junge Mann will dann auch gleich 200 Dinar für das Spiel der Wahl. Er ist erst 16, und fängt im Laufe der Verhandlungen fast an zu weinen, da meine Preisvorstellungen ihm und seiner Ware angeblich nicht ausreichend Wertschätzung entgegen bringen, doch am Ende gibt er mir meinen Preis: 100 Dinar. Sobald das Geld die Hände gewechselt hat, ist er auch gleich überglücklich und alle Tränen und Einschüchterungsversuche sind vergessen. Man lernt gleich noch die halbe Familie kennen, denn der Onkel hat natürllich lange in Deutschland gelebt. In Deutschland leben viele Türken und in İstanbul viele Türken die mal in Deutschland gelebt haben oder aufgewachsen sind.

im Basar
Hässlichste Puppen die ich jemals sah!

Eins meiner Highlights ist die Cisterna Basilica. Diese Zisterne aus römischer Zeit ist allein aufgrund ihres Alters und der Architektonischen leistung dahinter beeindruckend. Zudem bietet sie etwas Abkühlung von der Hitze der Stadt und zwei große Madusenköpfe, die seltsamerweise verkehrt herum installiert wurden.

Cisterna Basilica
guter Ort um Photos zu schießen
eine der Medusen

Einsicht Nummer 3: ich bin nicht mehr in Europa. In den meisten Restaurants und Supermärkten gibt es keinen Alkohol, dafür muss man in spezielle Geschäfte. Stört mich wenig bis gar nicht. Doch etwas gewöhnungsbedürftig für mich: türkische Männer staren einen an! Und man sollte nicht zurück schauen, starren oder geschweige denn lächeln - das zieht nur ein noch schlimmeres, herabwürdigendes starren nach sich. Seltsam. Aber andererseits muss ich für mein Baklava nicht bezahlen und bekomme das Putztuch für die Kamera geschenkt. Naja, es hat eben alles zwei Seiten.

Hier kann man mit einem Gewehr auf leere Flaschen schießen,
nur ein paar Dinar kostet das. Fantastisch!
Holzhäuser
Taubenlady
Maronenverkäufer

Nun zum Essen: 4. Einsicht: İstanbul ist ein Schlemmerparadies! Aber wie ihr vielleicht bemerkt habt, selbst wenn es nicht so wäre, würde ich das gute Zeug finden! Meine Favoriten sind Kumpır und die Makrelensandwiches um die Galatabrücke. Kumpır ist eine sehr große Ofenkartoffel (ernsthaft, wo haben die so viel riesige Kartoffel her?) die mit Butter und Käse zu einem Art Kartoffelbrei zerstampft wird und dann mit beliebig vielen Toppings versehen - Oliven, Mais, Gurke, Couscous, Wurst, Saucen - Yummi! Das Fischsandwich sollte man auf der beyoğluer Seite der Brücke kaufen und sicher stellen, dass sich der Mann am Holzkohlegrill ausreichend Zeit nimmt, alle Gräten zu entfernen. Allein die Zubereitung ist ein Erlebnis und das Sandwich an Sich ist sehr gut!

Yummi yummi!

Der Lokum (5. Einsicht: es heißt nicht türkischer Honig) wird einem auf den Basaren andauernd zum kosten angeboten, so ist man ihn bald über. Das Kebap ist nicht zu vergleichen mit dem deutschen - viel zu trocken und zu wenig Gemüse. Aber es gibt ja soviele Alternativen. Pide, oder die vielen Vorspeisen (Meze), oder die Sesamkringel (Simit), oder oder oder.

Zopf- und anderer Käse

Als Nachtisch kann man sich Baklava oder (meiner Meinung nach die bessere, nicht so schwere und nicht so süße Alternative) ein türkisches Eis gönnen. Mal wieder Eis! Ein türkisches Eis zu kaufen ist ein Schauspiel. Der Verkäufer holt es mit einer langen Metallstange aus den Behältern und vollführt verschiedene Kunststücke damit - welche Glocken und mehrere Eiswafeln als auch die eigene Nase einbeziehen - bevor man es endlich essen kann. Dabei zieht er das Eis lang, denn es scheint sich wie Gummi dehnen zu lassen. Wenn man es dann endlich essen kann, ist es erstaunlich cremig. Sehr lecker und doch anders als all das andere Eis, das ich hatte (ihr wisst es ist nicht wenig). Das Geheimnis soll Ziegenmilch sein.

hier kann man sich einen Lolly machen
kleine Häuser und eine Moschee (!) aus Lokum

An meinem letzten Tag will ich mir noch die Chora-Kirche ansehen. Diese Kirche/Moschee ist wie die Hagia Sophia aus der byzantinischen Zeit, natürlich viel kleiner und die Mosaike sollen noch schöner sein, als in der Hagia Sophia. Ich mache mich auf den Weg und bin ca 45 Minuten unterwegs, zwei Minuten bevor ich ankomme falle ich hin und zerstöre dabei meine einzige lange Hose im Gepäck. Zudem ist die Chora Kirche Mittwochs geschlossen, wie gut, dass heute Mittwoch ist!

Na prima!

Also geht es zurück zum Hostel und durch weniger touristische Nachbarschaften İstanbuls, die sich doch erheblich von der Innestadt unterscheiden. So sehe ich auch noch das "echte" İstanbuls und die umfassenden Außenanlagen der Süleymaniye Moschee.


Im Hostel kann ich mich noch kurz auruhen bevor ich abreise und erneut zur Stadt aus Straßen fahre, dem internationalen Busbahnhof.

ein letztes Bild zum Abschied

07 Tage | 06 Nächte || 19|09|2013 - 25|09|2013

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