Sonntag, 22. September 2013

Salaam Aleikum Sarajevo!

Die Zugfahrt von Mostar nach Sarajevo soll eine spektakuläre Sicht bieten. Leider bietet sie auch viele Tunnel, das hat zur Folge, dass jedes Mal wenn man sich begeistert dem Fenster zuwendet es auf einmal schwarz wird. Ich sitze mit zwei netten, älteren, bosnischen Ehepaaren im Abteil - wir verständigen uns mit Händen und Füßen.
Die Wegbeschreibung zum Hostel ist zuverlässig und so komme ich schnell an. Mein Zimmer wird gerade noch geputzt, also geht es gleich in die Stadt. Sarajevo liegt zwar mitten in Europa, doch man könnte auch denken, man ist im Orient! Die Architektur und die Menschen, die Mode und die Gerüche, alles ist weit davon entfernt europäisch zu wirken.

Baščaršija-Platz
Silberschmiede
ägyptische Konditorei

Die historische Altstadt liegt immer unter einer Rauchglocke - und nein, das ist kein Smog, das ist der Qualm der Holzkohleöfen und -grills in und über welchen Burek und Ćevapi zubereitet wird. Dazwischen finden sich Bäckereien und Nussläden, Silberschmieden, Moscheen und Sovenierladen - natürlich. Ćevapi gibt es fast überall auf dem Balkan, aus Bosnien soll es ursprünglich kommen. Moment, der Unterschied zwischen Ćevapi und Ćevapičići? Ćevapičići ist die Verkleinerungsform, doch bosnische Männer wollen Fleisch, da wird nichts verniedlicht und die Portionen nicht verkleinert. In Sarajevo isst man das Ganze mit Fladenbrot, dem Somun, rohen Zwiebeln und Kaymak, einer Art saurer Frischkäse. Burek ist hier auch nicht gleich Burek, so nennt man nur jenen welchen der eine Fleischfüllung auweisen kann. Alle anderen Sorten haben je nach Füllung ihren eigenen Namen: Zeljanica (Spinat), Kropiruša (Kartoffeln) und Sirnica (Käse). Außerdem gibt es noch Kürbis, vielleicht die beste Sorte...

hier wird der Burek und seine vegetarischen
Brüder und Schwestern knusprig und braun

Am folgenden Tag schaue ich mich in der Stadt etwas um und treffe dabei in der Kaisermoschee auf Ahmed. Ahmed zeigt mir die Grabkammer der sieben Brüder, die Gazi-Husrev-Beg-Medessa (islamische Religionshochschule) und Moschee, und da Ahmed wie scheinbar zufällig auch noch Hafiz ist, rezitiert er dannn auch gleich ein paar Koransuren in der Moschee. Ich hatte bis dahin keine Ahnung was ein Hafiz ist - Ahmed klärt mich natürlich auf: ein Hafiz oder eine Hafiza kann den gesamten Koran auswendig und den arabischen Text nach den Aussprache- und Intonationsregeln rezitieren. In einer Moschee ist das dann ganz schön beeindruckend und zieht allerlei Blicke auf sich.
Damit nicht genug, Hafiz Ahmed fährt mich auf einige der Hügel um Sarajevo und so haben wir eine hervorragende Sicht auf die Stadt.

leider keine klare Sicht
aber trotzdem nicht von schlechten Eltern

Der Tag endet mit einer Burek-, Sirnica-, Kropiruša-, Zeljanica-Verkostung und beim Essen erzählt mir Ahmed, dass all die komplett verschleierten Frauen Touristen aus Saudi-Arabien sind, bosnische Frauen tragen maximal Kopftuch. Arabische Touristen lieben Sarajevo - sie sind in Europa, aber dennoch in einer muslimischen Kultur.

Grabkammer des Erbauers der Gazi-Husrev-Beg-Moschee
Eingang zur Gazi-Husrev-Beg-Moschee
Brunnen zur Waschung vor dem Gebet

In den nächsten Tagen mache ich mal wieder eine Stadtführung mit und lerne Stacey und Som kennen. Wir gehen in einen der vielen Clubs, in Sarajevo ist jede Nacht die Hölle los. Die Musik ist laut, wir haben Spaß und auf dem Heimweg ruft uns eine bosnische Frau hinterher, um uns einen Sirnica zu schenken - das ist ihr ein echtes Anliegen, sie hat eine ganze Kiste und die sind alle von ihrer Tochter, natürlich selbst gemacht. Wie man vielleicht schon rausgehört hat: Bosniaken und im speziellen die Leute aus Sarajevo sind unglaublich nett und kontaktfreudig!

nette Villa
sieht unspäktakulär aus, doch hier wurde
Weltgeschichte geschrieben,
Ort des Attentats auf Franz Ferdinand
zufällıg entdeckt und geschmunzelt

Das Sarajevo Film Festival startet während ich da bin, Zufall - ein glücklicher! Ich schaue mir "Spring Breaker" und "Prinz Avalanche" an. Prinz Avalanche wird unter freiem Himmel gezeigt und nach dem Film kommen überraschend (zumindest für mich) der Regisseur, David Gordon Green, und einer der Hauptdarsteller, Emil Hirsch, auf die Bühne. Das alles bekommt man hier für acht bosnische Mark - das sind nicht mal vier Euro. Neben mirt sitzt Aleksander aus Serbien und nach dem Film essen wir noch etwas und versuchen von unseren beiden Tischnachbarinen zu erfahren warum die Sarajevoer Menschen so unglaublich nett sind - nicht das wir uns beschweren wollen, ganz im Gegenteil! Es ist so praktisch, dass sich Bosniaken, Serben und Kroaten alle untereinander verstehen. Die beiden empfehlen mir Sudžukice zu probieren, das mache ich auch gleich am folgenden Abend, ich glaube, das mag ich noch lieber als Ćevapi - typisch deutsch, wir essen nur Würste! Haha!

mitten in der historischen Altstadt - im Hintergrund die Berge

An meinem letzten Tag geht es dann mit Bus und Bahn an den Rand der Stadt. Dort erinnert das Tunnelmuseum mit dem orginalen Eingang und 25m erhaltenem Tunnel an die fast vierjährige Belagerung Sarajevos. Der Krieg so nah und doch so fern, heute erinnern noch Einschusslöcher in den Häusern und Spuren von Granateeinschlagen auf der Straße an den Krieg doch mehr nicht.

Eingang zum Tunnel
Sarajevo Rose - Granateneinschlag mit rotem Harz ausgegossen

Mein Hostel hier in Sarajevo bieten neben den herkömmlichen Annehmlichkeiten Holunderblütensirup, Burek und Rakija - natürlich alles selbstgemacht, und brüderlıch vom Personal mit mir geteielt. Rakija gibt es überall auf dem Balkan, traditionell wird er aus Pflaumen gemacht, aber es eignet sich auch jede andere Frucht, das Ergebnis ist in jedem Fall kristallklar und stark.
Oh je, ich habe jetzt schon ausreıchenden Rakija verkostet und es geht weiter nach Belgrad - das soll die Hochburg des Rakija sein!

07 Tage | 06 Nächte || 14|08|2013 - 20|08|2013

Donnerstag, 19. September 2013

Miran & Miram in Mostar

Lang nichts geschrieben, deshlab schnell ein paar aktuelle Informationen, bevor es chronologısch weiter geht: ich bin bereits durch vier weitere Länder gereist und heute habe ich Europa verlassen - naja - fast, zur Hälfte. Aber eins nach dem anderen, erstmal Bosnien:

Die Fahrt nach Bosnien bringt den ersten kurzen Schauer seit dem Balaton mit sich. In Mostar angekommen ist alles vergessen, die Sonne scheint und das Hostel ist schnell gefunden.

der ertse Eindruck

Mirans Hostel ist schon fast eine Legende! Ich habe ein Bett bei Mirans Onkel im Haus, am Abend gibt es selbstgemachtes Baklava von Mirans Mutter (der Ramadan ist vor wenigen Tagen beendet wurden) und Miran zeigt uns ein Video von sich und seiner Familie während des Krieges. So lerne ich an einem Abend fast die ganze Familie kennen, und den Klang von einschlagenden Granaten.

Derwischhaus gleich neben der Quelle

Am nächsten Tag geht es auf zu Mirans berühmter Herzegowina Tour. Es geht nach Blagaj zum Tekija, einem Derwisch Haus. Doch erstmal gibt es Frühstück, echt bosnisch - Burek. Danach ein Schluck aus der Quelle der Burna. Im Tekija müssen wir uns dann standesgemäß verschleiern, auch wenn gerade keine Derwische anwesend sind. Miran und sein Cousin erklären uns einiges über die Derwische und die bosnische Kultur. Erleuchtung des Tages - der Name Herzegowina kommt aus dem deutschen und kombiniert die Worte Herzog und Wein, da hätte man aber auch wirklich selbst drauf kommen können...
Weiter geht es nach Počitelj. Unser Kleinbus braucht viel länger als die beiden anderen Autos, weil Miran uns so viel vom Krieg erzählt - wie immer bei diesem Thema ist Miran enthusiastisch und da wird das Tempo kurzerhand gedrosselt, weil man eine Hand zum gestikulieren braucht. Počitelj bietet einen architektonischen Mix aus mittelalterlicher und ottomanische Architektur. Dazu kommt eine atemberaubende Kulisse mit dem Neretva Fluß im Tal.

Počitelj von der Ruine der ottomanischen Festung aus

Kroatien ist nicht mehr als zwei Stunden entfernt, doch es fühlt sich wie eine andere Welt an. Die einzige Gemeinsamkeit sind die Temperaturen, auch hier ist es mal wieder heiß, gut, dass es weiter zu den Kravice Wasserfällen geht. Das Wasser ist eisig! Miran gibt uns eine Führung, denn hier sind ein paar gefährliche Strömungen dabei und zeigt uns wo man springen kann und wo lieber nicht. Am Ende ist mir kalt - das ist mal etwas anderes! Die Sonne wärmt schnell wieder auf und das bosnische Essen vom Grill, serviert mit Ajva, Brot, Rakia und Bier wärmen von innen.

dahinter bin ıch durchgelaufen - beinah Bikini verloren!

Eins der Mädchen auf der Tour ist katholisch und will deshalb nach Međugorje. Hier wird Glauben am Fließband  seviert, es gibt Reihen zur Beichte in bosnisch, englisch, italienisch und ein riesiges Ausengelände für den Gottesdienst. Das ist mehr eine Fabrik als alles andere.
Zu guter Letzt geht es zurück nach Mostar und Miran fährt uns hoch auf die Berge zur ehemaligen Frontlinie. Hier sollte man sich nicht zu weit von den Wegen entfernen, da immernoch unzählige Landmienen an zu finden sind. Miran zeigt uns die verlassenen Bunker. Am Horizont geht die Sonne unter. Ein unwirklicher Ort um dıe Schönheit der Natur zu bewundern.

perfekt getarnt

In den nächsten Tagen erkunde ich die Stadt etwas und gehe am Abend, nachdem die größte Hitze des Tages überstanden ist, mit Miram - Mirans Bruder, kein Scherz - auf einen Standtrundgang. Miram zeigt uns die Grenze zwischen den heute muslimischen und christlichen Stadtteilen, vor dem Krieg haben alle miteinander gelebt und gewohnt. Viele Häuser sind noch zerstört und man kann Einschusslöcher sehen, denn das Geld zum Wiederaufbau ist jahrelang in die Taschen korrupter Politiker geflossen.

Scharfschützenpunkt
in der Etage mit Fenstern wohnen Leute,
auch wenn es nicht so aussieht
eins der vielen Friedensgraffitis

An meinem letzten Tag sitze ich am Nachmittag lange unter der berühmten Brücke Mostars und warte darauf, das jemand springt. Je nach Wasserstand schwankt die Fallhöhe, aktuell sollen es 29m sein. Einige der einheimischen sammeln Geld bevor sie springen - jeder will es sehen, (fast) niemand traut sich.

die zahlreichen Zuschauer
ein Mutiger

Mich würde kein Geld der Welt dort herunter bringen. Mirans Horrorgeschichten von zwei australischen Touristen, die 80km entfernt in Kroatien ohne Arme und Köpfe gefunden wurden, nachdem sie letzten Herbst von der Brücke in Mostar gesprungen sind, bestätigen meine Sorgen! Ich schau lieber zu und mache Bilder, suche mir im Hostel neue Bücher und fahre schließlich weiter, in die Hauptstadt.

05 Tage | 04 Nächte || 10|08|2013 - 14|08|2013